Monat: Mai 2019

Vambrace: Cold Soul

Sekiro liegt schon einige Zeit zurück und beinahe schon hättet ihr euch wieder daran gewöhnt, beim virtuellen Ableben eures Charakters einfach den letzten Spielstand zu laden. Gerade rechtzeitig tritt das von Devespresso Games entwickelte Roguelike-Rollenspiel Vambrace: Cold Soul auf den Plan und bietet euch neben sackschwerem Gameplay eine überaus interessante Geschichte, die in wunderschöner Optik präsentiert wird. Das von dem Dürener Videospielverlag Headup Games herausgegebene Fanatasy-Abenteuer trifft euch mit spitzer Nadel in eurem Stolz, den Geheimnissen der verschneiten Totenstadt auf die Schliche zu kommen, ganz gleich wie eiskalt es euch manchmal erwischt. Wer ab diesem Punkt weiterliest, sollte sich der in Spielform gebrachten Todessehnsucht de facto nicht verschließen.

Auf dem Marktplatz decken wir uns vor unserem nächsten Auftrag mit Tränken ein

Ihr seid Evelia Lyric und findet euch wieder in der vom Dauerfrost heimgesuchten Zwergenstadt Icenaire. Bei dem besagten Witterungsverfall handelt es sich jedoch nicht nur um ein paar lästige Schneewehen, sondern um eine von dunkler Magie geschaffenen Eisbarriere, dem Frostfence, die ein Entrinnen aus der Stadt unmöglich macht. Wie es das Schicksal so will, seid ihr die Trägerin einer verzauberten Unterarmschiene (engl.: Vambrace), wodurch es euch allein gelingt, die Eisbarriere zu überwinden. Um die Hintergründe eures Daseins ist euch zu Beginn nur wenig bekannt, doch je weiter ihr fortschreitet, desto mehr entfaltet sich eine Geschichte, die zu ihren besten Zeiten mit dem Wörtchen „episch“ umschrieben werden kann. So gilt es im weiteren Verlauf, dem okkulten „Orden der Grünen Flamme“ das Licht auszupusten, ist dieser doch schließlich dafür verantwortlich, dass sämtliche Bewohner, die nicht von der Grünen Flamme aus ihren Gräbern beschworen worden, auf ewig hinter dem Eiswall gefangen sind. Während der Großteil der Spielwelt demnach von uns gegenüber feindlich gesinnten Geistern oder Anhängern jenes Ordens bevölkert ist, haben sich die Lebenden, darunter Zwerge, Menschen und Elfen, nach Dalearch zurückgezogen. Dabei handelt es sich um eine Stadt, unter der Oberfläche von Icenaire, in der ihr Aufträge annehmen, euch Ausrüstung craften, zahlreiche Dialoge führen und natürlich auch Mitstreiter für anstehende Schlachten rekrutieren könnt.

Während sich unsere Heilerin im Hintergrund hält, ist es unser gut gepanzerter Berserker, der voranschreitet.

Euer Team besteht neben Lyric aus drei anderen Charakteren, wobei ihr die altbekannte Auswahl zwischen Nahkämpfer, Heiler, Bogenschütze bzw. Füsilier habt. Habt ihr euch erstmal durch die zumeist nicht vertonten Dialoge in Dalearch geklickt, geht es für den ersten Auftrag auch schon an die Oberfläche. Das Kampfsystem ist verglichen mit Darkest Dungeon relativ simpel gehalten. Neben der Möglichkeit, einen Angriff zu blocken oder gar aus der Schlacht zu fliehen, habt ihr die Wahl zwischen einer Standard- und einer Spezialattacke. Habt ihr keinen Heiler dabei, könnt ihr euch nur an festgelegten Punkten zur Rast setzen und dort eure mitgebrachten Verbände und Tränke auf die Charaktere verteilen. In jedem Gebiet bewegt ihr euch durch mehrere Abschnitte, wobei euch nicht in jedem Gegner auflauern müssen, sondern ihr euch stattdessen durchplündert oder eben Rastplätze aufsucht. Hin und wieder kommt es zu Ereignissen, bei denen ein Charakter eine bestimmte Situation nach eurer Vorgabe lösen kann. Ein Beispiel: Vor euch befindet sich ein reichlich gedeckter Tisch und es obliegt eurer Entscheidung, ob ihr zugreifen wollt oder das Misstrauen überwiegt. Für uns stellte sich das Festmahl als Illusion raus und statt des fleischsaftigen Schweinebratens hatten wir auf einmal die verrotteten Überreste in der Hand…und im Magen. Ein Malus auf unsere Vitalität war die Konsequenz.
Generell gibt es in Vambrace: Cold Soul mehr als genug Fallen, weswegen sich die Mitnahme eines Fallenentschärfers als lohnenswert herausstellen könnte. Fähigkeiten wie diese werden durch eines der fünf Attribute gesteigert. Diese wiederum werden von euch durch die Mitnahme gefundener oder selbst hergestellter Gegenstände in die Höhe getrieben. An Ausrüstung ist das aber auch schon alles, was ihr bei euch tragen könnt. Die Möglichkeiten der Charakterentwicklung sind demnach ähnlich begrenzt, wie die taktische Tiefe in den Kämpfen. Nichtsdestotrotz erhält dadurch jede einzelne Entscheidung umso mehr Gewicht. Vambrace ist kein leichtes Spiel und schon ein Fehltritt bedeutet möglicherweise das endgültige Aus für euer Team. Und als wäre dies nicht genug, gibt es das sogenannte Geistometer, welches sich mit jedem Abschnittsübertritt und auch im Falle einer Rast füllt. Überschreitet es einen gewissen Grenzwert, bedeutet dies, dass euch die Geister der Totenstadt aufgespürt haben und ihr es fortan mit einer größeren Anzahl an Kämpfen als zuvor zu tun bekommt.

Bosskämpfe wie dieser verlangen euch zusätzlich alles ab und sind nicht selten mit Verlusten verbunden.

Fazit: Eisbrecher mit etwas Anlaufzeit

Was dem Gameplay an Komplexität fehlt, versucht die Story mit interessanten Erzählelementen auszugleichen. Wenn ihr euch auf die zahlreichen Textboxen einlasst, könnte sich euer Besuch in Icenaire durchaus lohnen. Viel zu lesen gibt es auch durch das Ansammeln von Codex-Seiten, die euch mit zusätzlichen Hintergrundinfos über die Charaktere und die Spielwelt versorgen. So hat jede der überlebenden Fraktionen eigene Anführer mit eigenen Motivationen, die euch ein ums andere Mal um einen Gefallen bitten, die nicht immer der Aufrechterhaltung des Friedens innerhalb von Dalearch gewidmet sind. Das Kampfsystem als auch die Fortbewegung durch die Spielwelt mögen manch einem vielleicht etwas zäh erscheinen. Auch die hohe Anzahl an Fallen können einen je nach Gemütslage zur Weißglut treiben. Wer sich darüber hinaus ein tiefgängiges Charaktersystem wünscht, wird leider enttäuscht. Die permanenten Verluste geliebter Charaktere schmerzen zwar, wären aber noch viel reizvoller, würde man sich wirklich in eine Spielfigur, mit Ausnahme von Lyric, investieren können. Dafür kann man sich durchgehend an den hübsch gezeichneten Umgebungen und Charaktermodellen erfreuen. Hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet. Dennoch ist das Spiel sicher nicht für jeden was. So schnelllebig unsere Zeit ist und so actiongeladen viele zeitgenössische Titel sind, so sehr nimmt sich Vambrace genau hierbei raus und verlangt vom Spieler, sich wirklich in diese Welt einzufinden und nur langsam ihr frostiges Geheimnis zu lüften. Vambrace: Cold Soul erfüllt alle Kriterien eines guten Roguelike-Abenteuers und motiviert euch stets, das Beste aus eurem Team herauszuholen. Wer diese stärkere Fokussierung auf Story und Spielwelt begrüßt und dafür im Gegenzug ein paar kleinere Schwächen im Gameplay verzeihen kann, der greift beherzt zu.

Anno 1800

Segel gehisst und auf zu neuen Welten! Begleitet uns, wie wir zusammen mit dem wundervollen Kaffeekind über Anno 1800 aus dem Hause Blue Byte palavern. Nachdem es uns mit den letzten beiden Teilen in eine ferne Zukunftswelt verschlagen hat, haben sich die Entwickler dieses Mal für die Epoche der gerade aufkommenden Industrialisierung entschieden.

Ob uns der Ausflug ins Zeitalter der ersten Dampfmaschinen gefallen hat und wir in bester Anno-Manier bis tief in die Nacht Handelsrouten eingerichtet, Getreidefelder ästhetisch angeordnet und schlussendlich mit einem seligen Lächeln dem Gewusel in der Stadt zugeschaut haben, erfahrt ihr im Podcast. Viel Spaß mit der neuen Folge Darf ich vorstellen!

Tales of the Neon Sea

Auf der Gamescom 2018 angespielt – sofort verliebt – sehnsüchtig erwartet – nun endlich spielbar. Die neue Adventure-Puzzle-Indie-Perle Tales of the Neon Sea entwickelt von Palm Pionieer und published by Zodiac Interactive könnte sich in dem leicht unterbesetzten Genre als eine bunte Offenbarung für Knobelfans herausstellen.

„Die Welt ist gebaut auf einer Mauer, die die Arten trennt. Erzählen wir beiden Seiten, es gibt keine Mauer handeln wir uns einen Krieg ein“ – Blade Runner 2049

In Form eines farbgewaltigen Pixel-Abenteuers entführt uns Tales of the Neon Sea in eine Blade-Runner-Esque Zukunftswelt, in der Roboter und Menschen zumindest auf dem Papier eine friedliche Koexistenz anstreben. In der Praxis sieht dies jedoch anders aus. Eine reibungslose Symbiose zwischen Roboter und Mensch scheint in jedem Szenario zum Scheitern verurteilt. Auch hier wird ein andauernder Konflikt geführt, welcher – gut geölt durch Misstrauen und Intrigen – den Kontext unseres Abenteuers schafft.

Wir spielen Ex-Polizeiermittler Nebel, der seine besten Tage als Spürnase hinter sich hat und seitdem seine Zeit – neben dem Konsum von Rauschmitteln – mit dem Annehmen kleinerer detektivischer Auftragsarbeiten verbringt.

Ohne zu wissen, was passiert ist, erwachen wir in einer düsteren Gasse und unsere erste Mission besteht darin, humpelnden Schrittes dem Tod zu entkommen. Schon direkt in die ersten Rätselmissionen hereingeworfen, erfahren wir immer mehr über unsere Person und die knallbunte Cyberpunk-Welt, in der wir existieren. Auf kreative und eingängige Art wird man schnell an die Steuerung und grundlegende Mechaniken herangeführt. Die Rätsel sind logisch aufgebaut und nach einigen Versuchen findet man sich schnell zurecht. In unserer ersten Amtshandlung besorgen wir uns durch eine kleine Tüftelei mit Hilfe verschiedener Drehmechaniken unseren verlorengegangenen Hut zurück. Ein Detektiv kann schließlich keine Fälle ohne seine stilechte Kopfbedeckung lösen.

Nach dem kurzen Tutorial folgt ein Rückblick, der uns gleich einige Jahre in die Vergangenheit zurückwirft. Hier setzt die eigentliche Handlung ein. Wir sind mit der Aufklärung eines anfänglich banal wirkenden Mordfalls beauftragt worden. Es wird nicht zu viel vorweg gegriffen, wenn wir sagen, dass sich innerhalb kürzester Zeit die Ereignisse überschlagen und wir uns inmitten einer möglichen Verschwörung befinden, deren Verursacher es scheinbar auf die brüchige Koexistenz von Robotern und Menschen abgesehen haben. Investigative Fertigkeiten sind hier gefragt! Ist dies der Anfang einer Roboter-Revolte? Sind die Gesetze Asimovs nichts mehr wert? Oder sind die Menschen das Problem?

Auf unserem Weg begleitet uns unser treuer Gefährte Wilhelm – ein schwarzer Kater, der uns bei der ein oder anderen Gelegenheit bei unseren Nachforschungen unterstützt. Wie sich im Verlauf des Spiels herausstellt, hat auch er in seiner Katzenwelt einige Ermiauttlungen zu führen. Nicht einmal Katzen können in dieser Zeit einer abgesicherten Zukunft entgegensehen.

“Stagnation macht meinen Geist rebellisch! Geben Sie mir Probleme, geben Sie mir Arbeit!” – Sherlock Holmes

In Tales of the Neon Sea erwartet uns ein Potpourri aus unterschiedlichen Rätseln. Von schlichten Puzzle- und Schieberätseln über anspruchsvolle Logikrästel bis hin zu höchster detektivischer Kombinationsgabe wird alles abverlangt, was ein wahrer Ermittler in seinem Portfolio vorweisen sollte. Je tiefer man in die Welt hineintaucht, desto anspruchsvoller werden auch die Rätsel. Zu einem gewissen Zeitpunkt fächert sich der bis dato recht lineare Spielverlauf zu einer großen Spielwelt mit zahlreichen Abzweigungen aus, in welcher man nicht selten überlegen muss, welchen (Tat-)Ort man als nächstes aufsucht.

“Trauen Sie niemals allgemeinen Eindrücken, mein Junge, sondern konzentrieren Sie sich auf Einzelheiten.” – Sherlock Holmes

Fazit:
Die fortgeschrittenen Rätsel sind sehr fordernd und verlangen einem nicht wenig Hirnschmalz ab, doch ist es diese Herausforderung, aus der auch der größte Reiz hervorgeht. Umso schwerer die zu knackende Kopfnuss, umso größer auch die anschließende Euphorie, wenn man die verdammten, versteckten Hinweise findet, die einen zu des Rätsels Lösung führen.
Die vielen kleinen Gimmicks, wie Anspielungen an Sherlock-Holmes oder Asimovs Robotergesetze, machen die liebevolle und detailreiche Gestaltung des Spiels aus. Tales of the Neon Sea besticht nicht nur durch seine Pixelgrafik, sondern auch durch die beinahe fiebrig-dystopische Atmosphäre, die durch unterschwellig wummernde Synthie-Sounds perfekt ergänzt wird. Es erinnert an einen spielbaren, mehrstufigen Escape-Room und kombiniert dabei in seiner Spielmechanik Spieleklassiker wie beispielsweise „The Witness“ oder „Day of the Tentacle“. Rätselfreunde und Kombinationsenthusiasten kommen voll auf ihre Kosten.