Shadow of the Tomb Raider ist der letzte Teil der Prequel-Trilogie, die im Jahr 2013 ihren Anfang nahm. Findet Laras Herkunftsgeschichte einen krönenden Abschluss oder steht der aktuelle Teil im Schatten seiner großartigen Vorgänger?
Dieses Mal verschlägt es uns auf der Jagd nach einem Maya-Dolch in die grüne Dschungelhölle Perus. Mit von der Partie sind wie in den vorherigen Teilen auch unser Freund Jonah Maiava sowie die dubiose Geheimorganisation Trinity, mit der ein Wettrennen um das begehrte Artefakt beginnt. Kaum haben wir den Dolch aus einer unterirdischen Tempelanlage stibitzt, lösen wir nichtsahnend den Weltuntergang aus. Dieser kann nur zur nächsten Sonnenfinsternis und unter Zuhilfenahme einer speziellen Schatulle gestoppt werden. Sie gilt es nun zu finden und sich dabei gegen Trinity und ihren Anführer Dominguez durchzusetzen. Letzterer will die Welt mit Hilfe der Schatulle nicht retten, sondern „erneuern“.
Aller Anfang ist schön
Das alles erscheint ausreichend, um erneut zu Kletteraxt und Bogen zu greifen und die Menschheit vor ihrem Schicksal zu bewahren. Im bildhübschen Peru lösen wir Rätsel, plündern Grabkammern und legen uns mit den vierpfotigen Bewohnern des Urwaldes an. Dabei verstehen es die Entwickler, alte Tempelanlagen, saftige Flusslandschaften oder malerische Bergdörfer in Szene zu setzen. Die fantastischen Lichteffekte machen es zu einem Vergnügen, dem perfekten Schnappschuss vor der perfekten Kulisse hinterherzujagen. – Die erwähnten Rätsel sind hervorragend ausbalanciert und bleiben stets anspruchsvoll, ohne unfair zu sein. Gerade die vielen grafisch ansprechenden Herausforderungsgräber zählen aufgrund ihrer fordernden Denkaufgaben zu den Highlights des Spiels und brachten mich mehr als einmal an meine Grenzen. Liebe und Hass für diese vermaledeiten Windrätsel! Ein schönes Detail: Die Schwierigkeitsgrade sind für Rätsel, Kampfpassagen und Klettereinlagen unabhängig voneinander variierbar.
Hallo, ich heiße Lara und ich habe den Untergang der Welt eingeleitet, lol.
Bei all den Dingen, die für das Spiel sprechen, wird es nun Zeit für das großes „aber“. Ja, das Spiel ist wunderschön und gerade alteingesessenen Fans der Reihe sollte das Herz aufgehen, wenn der Fokus wieder mehr auf dem Erkunden alter Grabmäler als dem Abschlachten ganzer Militärcamps liegt. Aber nichtsdestotrotz entsteht beim Spielen zunehmend der Eindruck, dass allein bei der Handlung mehr drin gewesen wäre. Unsere geliebte Archäologin trägt eine nicht unerhebliche Mitschuld an der eingeleiteten Apokalypse, doch thematisiert wird ihr Vergehen kaum. Dabei scheint ihre Psyche keineswegs der eines Steins zu entsprechen. Vor allem in den Zwischensequenzen mit Kumpel Jonah trumpfen Laras Gesichtsanimation mit einer reichhaltigen Facette an Emotionen auf. Fröhlich, traurig, ernst – alles geht. Warum nicht das Ganze nutzen, um dem Charakter ein bisschen mehr Tiefe zu verleihen? Mehr Tiefe hätte auch der allenfalls solide erzählten Handlung nicht geschadet. Echte Höhepunkte bleiben leider aus. Zwar gibt es mit einer Spielzeit zwischen zehn und fünfzehn Stunden keine echten Längen, jedoch würde der ein oder andere narrative Wendepunkt zusätzlich der Geschichte zu größerer Dynamik verhelfen.
Fazit: Supernova oder Sonnenfinsternis?
Der Trip durch Peru hat mir ein paar schöne Abende beschert. In alter Indiana Jones Manier lüftete ich die Geheimnisse verborgener Grabkammern und freute mich jedes Mal diebisch, wenn ich eine Falle rechtzeitig entdecken konnte, um die Protagonistin vor einem – typisch für die Reihe – sehr unschönen Ableben zu bewahren. Eine Vorliebe der Entwickler für das Aufspießen der Heldin ist mir dabei trotzdem im Gedächtnis geblieben. – Ein anderes Mal kroch ich durch enge Felsspalten, die der Alptraum eines jeden Klaustrophobikers sind, um kurz darauf selbst zum schlammbeschmierten Alptraum der Trinity-Schergen zu werden. Wie im Film Predator wurde ich schon nach einer kurzen Zeit von der Beute zum Jäger. Für viele mag es ein bereits bekannter Makel der Reihe sein, dass Lara als junge Frau in ihren Zwanzigern eine ganze Privatarmee durch ihre Kaltblütigkeit in Aufruhr versetzt, für mich war es jedoch eine Freude, die leichten Schwächen der KI auszunutzen und einen nach dem anderen ohne Projektilgebrauch unschädlich zu machen. – Dennoch möchte ich mich damit nicht gänzlich zufriedengeben. Spiele wie God of War oder Uncharted 4 zeigten, wie man all das auch schafft, ohne dabei auf eine hervorragend erzählte Geschichte verzichten zu müssen. Zweifellos ist Shadow of the Tomb Raider hochwertig produziert und weiß entsprechend zu unterhalten. Umso mehr hätte ich mir desewegen gewünscht, den Charakter Lara noch etwas besser kennenzulernen. Eine Protagonistin, deren innere Konflikte einen tatsächlichen Effekt auf ihre Handlungen haben, hätte für mehr Glaubwürdigkeit gesorgt. Doch wie heißt es so schön? Das alles ist Meckern auf hohem Niveau und jeder, der mal wieder Lust hat, in einer umwerfend gestalteten Welt Abenteuer zu erleben und diese enorme Befriedigung nach der Lösung eines Rätsels zu verspüren, darf sich den Titel bedenkenlos anschauen. Die Sonne scheint auch für den Abschluss der Trilogie…nur eben ein kleines bisschen schwächer.
Gelunger Text. Macht Spaß zu lesen. Mich hat kurz irritiert, dass Du zum Fazit hin in die Vergangenheitsform wechselst, wo wir doch gerade noch alle mitten drin und dabei waren. Aber wenn man gründlich liest macht das absolut Sinn. Freue mich auf mehr Texte!
Liebe Grüße
Ganz lieben Dank für das Feedback, das freut mich sehr! Die Sache mit dem Zeitenwechsel werde ich im Auge behalten!
Liebe Grüße
Dennis