Hitman 2

Seit dem 13. November lässt uns IO Interactive im neuesten Hitman-Teil wieder in die Rolle des glatzköpfigen Agenten 47 schlüpfen, um möglichst ungesehen, aber gleichermaßen spektakulär hochrangige Ziele wie Politiker, Generäle oder berühmte Persönlichkeiten auszuschalten. Nachdem der Vorgänger vor zwei Jahren durch seine Optionenvielfalt und die einfallsreich gestalteten Szenarien überzeugen konnte, schauen wir nun, ob auch Hitman 2 durch frische Ansätze ins Schwarze trifft, oder ob es lediglich bei einem Streifschuss bleibt.

Das Leben als emotionsloser Killer ist nicht so eindimensional, wie es den Anschein haben könnte. Man geht davon aus, dass man Aufträge annimmt und daraufhin sein Tagewerk ohne weitere Nachfragen verrichtet…wäre da nicht die ein oder andere ominöse Geheimorganisation, die uns wie eine Laborratte mit der Aussicht auf ein Stück Käse durch das verzweigte Labyrinth wandeln lässt. Nur entspricht das Labyrinth dabei keinem Irrgarten, sondern einem Wirrwarr aus Intrigen und das Stück Käse ist in Wahrheit die Chance auf einen Einblick in Agent 47’s verlorene Vergangenheit und die Frage, wie er zum gewissenlosen Attentäter geworden ist. Das mag auf dem Papier nett klingen, findet allerdings eine eher lieblose Entsprechung im Spiel. Der Großteil der Story wird in Form einer mit Text unterlegten Standbild-Show erzählt, wobei die einzelnen Sprecher offenbar die Aufgabe hatten, jede noch so banale Phrase mit enormer Bedeutung aufzuladen. Wer zudem die Geschichte des Vorgängers nicht präsent hat, bekommt schnell Schwierigkeiten, Namen und Organisationen richtig zuzuordnen. Massiv punkten kann das Spiel jedoch damit, dass sämtliche Missionen aus Teil 1 spielbar sind und sich diese Wissenslücke bei Bedarf schließen lässt.

9 von 10 Assassinen sind überzeugt: Dieser Mann hat mehr bekommen als eine bloße Rasur.

 

Der Tod kommt vielfältig

Nichtsdestotrotz sollte man sich darüber bewusst sein, dass es sich bei Hitman eher um einer Art Auftragsmörder-Simulation handelt als um einen spannungsgeladenen Action-Thriller. Und wie bei den meisten Simulationen geht es auch hier um die Sache an sich; in dem Fall das erbarmungslose Töten. Jede Mission beginnt mit einer kurzen Charakterisierung der zu eliminierenden Personen mit der anschließenden Möglichkeit, das Vorhaben sorgfältig zu planen. Spielt ihr die Mission zum ersten Mal, habt ihr nur eine übersichtliche Auswahl an Optionen. Bei mehrmaligem Durchspielen und der Nutzung unterschiedlicher Lösungswege – die euch das Spiel zuhauf an die Hand gibt – schaltet ihr etwa verschiedene Waffen, Startpunkte und Outfits frei. So liegt die Stärke des Spiels erneut in der Freiheit, euer Ziel auf möglichst kreative Art ins Jenseits zu befördern.

Ein Beispiel: In einer der insgesamt sechs Missionen habt ihr die Möglichkeit, euer Ziel – eine Rennfahrerin – während des laufenden Cups aus dem Verkehr zu ziehen, indem ihr euch als Reifenmechaniker des entsprechenden Teams verkleidet und beim Boxenstopp ein bisschen Unfug treibt. Die daraufhin erfolgende Karambolage ist nicht nur explosiv inszeniert, sondern zaubert euch ein diebisches Lächeln ins Gesicht, wenn euer Plan tatsächlich aufgeht und ihr euch unentdeckt davonstehlt. Eine andere Möglichkeit wäre es, sich als Renn-Maskottchen zu verkleiden, wodurch ihr beinahe Zugang zum gesamten Areal erhaltet und so auch den Siegerpokal mit ein wenig Gift, statt Sekt anreichern könnt. Verschiedene Verkleidungen sind der Schlüssel zu einem gelingenden Mord. Je nach Outfit erhaltet ihr unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten im Level, wodurch auch zu einem gewissen Teil die Art, wie euer Opfer die Welt der Lebenden verlässt, determiniert wird. Natürlich könnte man auch einfach hingehen und der jeweiligen Person ein drittes Nasenloch verpassen, allerdings ist es beinahe zu schade, das ausgeklügelte Missionsdesign – und somit einen Großteil des Spielspaßes – zu umgehen. Nein, wer wirklich was auf sich hält und in der oberen Liga der Profikiller mitspielen möchte, erkundet sein Umfeld, sammelt Hinweise und ist nicht allzu flink am Abzug. Hitman ist kein Call of Duty und möchte es auch nicht sein. Immer wieder wird deutlich, dass Perfektionismus vor Effizienz gilt, wenngleich beides miteinander einhergeht. Wer dies begriffen hat, wird auch mit der übersichtlichen Anzahl von Missionen durch ihre vielfältigen Lösungswege lange seinen morbiden Spaß haben. Die Schauplätze könnten mit Kolumbien, Mumbai, einem Vorort in den USA etc. kaum abwechslungsreicher sein und sind durchweg liebevoll ausgearbeitet.

Wem dies trotzdem nicht genug ist, kann sich am neuen „Ghost Mode“ probieren, der euch in einer der vorhandenen Missionen online gegen einen anderen Spieler antreten lässt. Dabei geht es darum, wer die Ziele nicht nur schneller, sondern auch sauberer – also ohne viel Aufsehen zu erregen – erledigen kann. Jeder befindet sich in seiner eigenen Spielwelt, in welcher der Kontrahent zwar schemenhaft sichtbar, in seinem Vorhaben jedoch nicht beeinflussbar ist. Hat ein Spieler das aktuelle Ziel getötet, bleiben dem anderen noch zwanzig Sekunden, um den Rückstand auszugleichen. Es lässt sich sagen, dass eure Fähigkeiten hier bis aufs Äußerste gefordert werden. Zusätzlich habt ihr die Möglichkeit, in einer zeitlich begrenzt verfügbaren Mission, das virtuelle Ebenbild von Sean Bean in einer Bonusmission auf nahezu jede erdenkliche Art und Weise zu töten. Der Schauspieler, welcher unter anderem für seine vielen Filmtode bekannt ist, bereichert das Spiel somit um seine Prominenz.

Macht in jedem Outfit eine gute Figur: Unser Mannequin Agent 47

 

Fazit: Kein Bullseye, aber dennoch extrem tödlich!

Sieht man einmal von der zu vernachlässigenden Geschichte um Agent 47 ab, kann man mit Hitman eine Menge Spaß haben. Wer schnelle Shooter gewohnt ist, muss sich zunächst einmal dem gemächlicheren Spieltempo anpassen, doch schon bald dürften sich die ersten Erfolge einstellen und die Zahl der „Ich kann nicht glauben, dass das geklappt hat“-Momente wächst. Es ist beeindruckend, welche Optionenvielfalt IO Interactive für den Spieler parat hat. Durch das Freischalten zusätzlicher Missionsboni wird man geradezu verführt, beim erneuten Durchspielen eine gänzlich neue Strategie zu verfolgen und dasselbe Level auf eine komplett unterschiedliche Art zu erleben. Hitman 2 entlockt euch eine finstere Art der Kreativität und belohnt euch zu jeder Zeit dafür. Darum geht es und mal ganz ehrlich: Wen interessiert denn wirklich, wie der Barcode an den Hinterkopf unseres Protagonisten gekommen ist? Wer hierbei jedoch moralische Bedenken hat, sollte die Finger von der Spielereihe lassen, denn auch wenn es zu keinem Zeitpunkt blutiger als nötig wird, geht es um das blanke Töten, ohne Reflexion und größere innere Konflikte. Für alle anderen gilt: Rasiert euch den Kopf, zieht euch die schwarzen Lederhandschuhe an; das Jagen beginnt.

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