Call of Cthulhu

Bereits seit den ersten bewegten Bildern auf der Gamescom 2016 verfolge ich die Entwicklung von Call of Cthulhu mit großem Interesse. Als großer Fan des Pen & Papers wünscht man sich natürlich eine Umsetzung, die den Spieler voll und ganz in seinen Bann zieht und auf viele bekannte Elemente zurückgreift, ohne sie plump zu kopieren. Ob Cyanide Studios meine großen Erwartungen erfüllen konnte, lest ihr in den nächsten Absätzen.

Traum(a)

Der Held unserer Geschichte, Weltkriegs-Veteran Edward Pierce, hinterlässt erst einmal keinen guten Eindruck. Zwar ohne grüne Regenrinne in der Hand, aber mit einem ordentlichen Kater erwachen wir aus einem Albtraum auf der Couch unseres Detektiv-Büros. Kurz sortieren wir unsere Gedanken und beschließen, das Alkohol die falsche Lösung ist, nur um dann vor die Entscheidung gestellt zu werden, ob wir nicht doch noch einmal kurz am Whiskeyglas auf dem Schreibtisch nippen wollen. Dies ist die Erste von vielen Optionen, die euch bei Call of Cthulhu angeboten werden. Jede einzelne davon beeinflusst, wie NPC´s auf euch reagieren und damit auch den Ausgang des Spiels.

(K)ein Job wie jeder andere

Boston 1924. Auftritt Stephen Webster. Bei einem Feuer starb seine Tochter, die berühmte Künstlerin Sarah Hawkins. Auch ihr Mann Charles Hawkins und der gemeinsame Sohn Simon kamen in den Flammen um. Die Polizei auf Darkwater Island hat am Ende der Ermittlungen geschlussfolgert, dass es sich um einen tragischen Unfall gehandelt hat. Doch Webster hinterfragt das Ganze, denn kurz nachdem er vom Tod Sarahs erfahren hat, kam eines ihrer Gemälde bei ihm an. Webster erzählt uns, dass seine Tochter an Visionen litt und diese auf Gemälden festgehalten hat. Schon nach einem Blick auf das zugesandte Bild wird uns bewusst, dass die Visionen verstörend sein mussten. Wir nehmen den Auftrag an und machen uns auf den Weg zu Darkwater Island. In der ehemaligen Fischerei-Hochburg trefft ihr auf eigenbrötlerische Charaktere, von denen der Großteil nicht zu gesund aussieht und sich dem tristen grau der Insel angepasst hat. Wir wünschen euch viel Vergnügen dabei, diese Insel zu erkunden.

Wohin mit der Erfahrung?

Zu Beginn dürfen wir acht Charakter-Punkte verteilen. Insgesamt verfügt unser Protagonist über sieben Fähigkeiten, die ausgebaut werden wollen. Direkten Einfluss können wir allerdings nur auf fünf davon nehmen. „Stärke“ beeinflusst zum einen die Möglichkeit Gesprächspartner einzuschüchtern, zum anderen wird der Wert für Kraftproben als Maßstab genommen. „Eloquenz“ kann euch dabei helfen, Zusatzinformation zu erhalten, indem ihr NPC´s verbal schachmatt setzt. Passend dazu gibt es auch „Psychologie“, mit der ihr das Verhalten eures Gegenübers analysieren könnt. Zu guter Letzt werdet ihr an den verschiedenen Locations die Talente „Investigation“ und „Verstecktes Finden“ einsetzen müssen. Während euch das erste dabei hilft, Tatorte zu analysieren und Schlösser zu knacken, kann man mit dem zweiten Verstecktes finden, um damit neue Optionen in der Befragung zu erhalten. Die beiden letzten Fähigkeiten „Medizin“ und „Okkultes“ könnt ihr nicht gezielt leveln, aber wenn ihr die Augen aufhaltet, werdet ihr über Bücher, Zeichnungen und Artefakte stolpern. Eure Werte steigen mit jedem Fund weiter an. Wenn ihr eine der sieben Fähigkeiten einsetzen wollt, erfolgt tatsächlich eine Probe darauf, die durchaus scheitern kann, wenn der jeweilige Wert zu niedrig ist. Zum Ende hin werden sogar manche Dialogoptionen nur dann verfügbar, wenn ihr den Wert auf sein Maximum angehoben habt. Fehlen euch noch Punkte in „Investigation“, dann scheitert ihr mit dem Dietrich am Schloss und ihr müsst eine Alternative finden. Durch diese verschiedenen Ansätze lohnt sich das Spiel auch für einen zweiten Durchlauf, weil ihr anders vorgehen könnt.

Spürnase

Die Handlung wird in insgesamt vierzehn Kapiteln erzählt und findet stets in abgeschlossenen Arealen statt. Diese sind teilweise weitläufig, wie der Darkwater Hafen in Kapitel zwei, manchmal aber auch auf ein einzelnes Gebäude reduziert. Das Einholen von Informationen im Rahmen von Befragungen findet über das allseits bekannte „Mass-Effect-Dialograd“ statt. Je mehr ihr mit eurer Umgebung und ihren Einwohnern agiert, desto mehr Optionen stehen auch bei den Gesprächen zur Verfügung. Neugierig sein lohnt sich, um zusätzliche Charakterpunkte freizuschalten. Im Gegensatz zu anderen Spielen sind hier Worte tatsächlich die Waffe eurer Wahl. Ihr verfügt weder über den klassischen Revolver, noch könnt ihr auf eure Fäuste zurückgreifen. Der Fokus des Spiels verhaftet somit auf den Ermittlungen und dem Entdecken. Einige Rätsel wollen von euch gelöst werden und wie der Name es schon vermuten lässt, driftet Call of Cthulhu zu verschiedenen Gelegenheiten ins Übernatürliche, um euch oftmals mit offenem Mund zurückzulassen.

Pflicht und Kür

Auf der technischen Ebene hinkt der Titel im Vergleich mit aktuellen AAA-Titeln etwas hinterher, was sich in leicht hölzernen Animationen, mangelnder Lippensynchronität und einer etwas gewöhnungsbedürftigen Steuerung äußert. Auch das Level- und Questdesign legt einem den ein oder anderen Stolperstein in den Weg und es ist nicht immer ersichtlich, was das Spiel von einem möchte. Hier ein Beispiel: Wir müssen jemanden ablenken und entdecken einen für das weitere Vorankommen wichtigen Gegenstand, den wir aber erst 15 Minuten später ins Inventar legen können, nachdem wir mit einem bestimmten Charakter interagiert haben. Nervige Stealth-Passagen, bei denen schon der kleinste Fehler zum sofortigen Scheitern führt, trüben zusammen mit anderen Trial-and-Error-Elementen den Spielspaß etwas. Doch konzentrieren wir uns jetzt auf die Stärken des Spiels: Der Soundtrack sorgt stets für eine bedrohliche Atmosphäre. Hier weiß das Spiel über die kompletten zehn bis zwölf Stunden Spielzeit zu unterhalten. Gleiches gilt für die sehr unterhaltsame Geschichte die einen Mix aus Krimi und Thriller darstellt. Die deutsche Sprachausgabe ist gut gelungen, die englischen Sprecher tragen aber etwas mehr zur Stimmung bei. Der Grafikstil ist bewusst düster gehalten und sorgt für eine melancholische Grundstimmung. Bis zum Finale erwarten euch jede Menge Irrungen und Wirrungen. Mit jeder Entscheidung und jedem Kapitel zweifelt ihr mehr daran, ob euch euer Verstand einen Streich spielt oder einfach mehr existiert als euch jemals bewusst war.

Fazit: Viel Licht und etwas Schatten

Abschließend kann ich sagen, dass meine Erwartungen vollkommen erfüllt wurden und mir Call of Chtulhu eine gute Zeit bereitet hat. Technisch spielt der Titel zwar nicht in der obersten Liga, aber der starke Soundtrack und die Geschichte um Edward Pierce und die Familie Hawkins entschädigen dafür auf jeden Fall. Einige Spielmechaniken behindern den Spielfluss, weil ich das Gefühl hatte, nur durch stumpfes Probieren voranzukommen. Auf der anderen Seite trifft man NPC´s, die alle eigene Ziele verfolgen und sehr gut auf die Insel passen. Fans der Bücher oder des Pen & Paper finden hier eine liebevolle Hommage rund um H.P. Lovecraft und sollten sich selbst aufmachen, den Fall zu lösen.

1 comment on “Call of Cthulhu

  1. Martin sagt:

    liest sich wie ein gelungenes C.o.C.
    vielen dank für diese Hilfe zur Kaufentscheidung.
    Ich freue mich schon auf meine eigene Erfahrung mit diesem Spiel.
    LG

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