Doom Eternal

Vier Uhr morgens. Ich befand mich in meinem Arbeitszimmer. Die einzige Lichtquelle bot der Bildschirm. Groteske Szenen spielten sich darauf ab, während ich am offenen Fenster stand und genussvoll den Zigarettenrauch in die kühle, wolkenverhangene Nacht blies. Eigentlich hatte ich mit dem Rauchen aufgehört. Eigentlich. – Meine Frau und die beiden Söhne schliefen längst. „Ich muss leider noch den Test fertigschreiben“, sagte ich zu ihnen. Olivia gab mir daraufhin einen sanften Kuss auf die Stirn. „Mach nicht zu lang“, hauchte sie. Ich schwieg und lächelte verliebt, während sie die Tür hinter sich schloss, um zu Bette zu gehen. Ich wartete einen Augenblick. Noch einen. Nur um sicherzugehen. Dann erstarrte meine Mimik. Ich hatte soeben meine Frau belogen. Doch für Selbstmitleid war keine Zeit. Sie würde es ohnehin nicht verstehen. Mit verschwörerischer Miene setzte ich mir die Kopfhörer auf, knackte ein paar Mal mit den Fingern und…öffnete mit einem Doppelklick die Tore zur Hölle. Mein Blick wurde leer. Einzig die Feuer des flammenden Infernos vor mir spiegelten sich darin. Ohne genau zu wissen, wie mir geschah, merkte ich, wie mein Mund die folgenden Laute formte: „Heil Bethesda! Heil id! Heil dir, Doom! Auf ewig.”  

Zweifellos ist es eine glückliche Fügung, dass der Höllentrip im neuen Doom Eternal nach etwa zwölf Stunden beendet ist. Ansonsten wären hierzulande nicht nur sämtliche Packungen an Toilettenpapier vergriffen, sondern auch jedwede Arznei zur Blutdrucksenkung. Und Schicksale, wie oben beschrieben, würden eine signifikante Zunahme erfahren. Zwölf Stunden Spiel – und das in einer Zeit, in der sich die führenden Spieleentwickler mit der Größe von Welten und der Anzahl an Quests gegenseitig überbieten wollen – kann das gutgehen? Zur Hölle ja! Denn was hier auf den Bildschirm gezaubert wird, ist die konsequente Weiterentwicklung des 2016 erschienenen Vorgängers, welcher schon seinerzeit als erfolgreicher Neustart der Serie galt. Doch dieses Mal wurden die Schieberegler nicht nur auf Anschlag gestellt, sondern das gesamte Mischpult mit der BFG 10.000 einmal durch den Erdkern und zur anderen Seite wieder rausgeschossen.

Kleiner Augenöffner: Selten sah die Apokalypse so schick aus

Die Apokalypse ist schöner denn je, die Schauplätze sind von der tiefsten Hölle bis in die eisige Arktis abwechslungsreich und imposant ausgestaltet. Nicht selten unterbrachen wir als Doom-Slayer unseren Rachefeldzug und bewunderten das dämonische Panorama brennender Städte, endloser Lavaströme und hochhausgroßer Teufelswesen, die in der Ferne ihr grausiges Werk verrichteten. Abgesehen davon gibt es rein gar nichts, was dem „Flow“ in der gesamten Spielzeit schaden könnte. Durch die neuen Bewegungsmuster hangelt, klettert und „dasht“ ihr durch die Level, meistert gut positionierte Sprungpassagen oder nutzt diese neue Freiheit, um auch aus der Luft der Höllenbrut das Leben schwer zu machen. Damit das aber auch wirklich gelingt, verlangt euch Doom Eternal alle kognitiven Skills ab. Wir haben auf dem zweiten von vier Schwierigkeitsgraden begonnen und schnell gemerkt, dass schon eine kurze Atempause genügt, um schonungslos das Zeitliche zu segnen. Wer jetzt aber denkt, dass stumpfes Rumgeballere und ein paar jugendliche Reflexe ausreichen, um hier zu bestehen, der könnte falscher nicht liegen. Verschiedene Waffen mit unterschiedlichen Feuermodi, Glory Kills, Kettensäge, Flammenspeier und Granaten – all das bedeutet nicht nur massig Feuerpower, sondern auch den taktischen Einsatz all dieser Gerätschaften in Kombination. Was am Anfang nach einer Menge Optionen klingen mag, wird schnell zur Existenznotwendigkeit. Jedes Element hat seine Daseinsberechtigung und erwartet den zielgerichteten Einsatz. Und das alles, während ihr von sechsbeinigen Gehirnen mit Bordgeschütz, kleinbusgroßen Dämonen und gefühlt auch allen anderen Schrecken der Unterwelt verfolgt werdet. Glory Kills geben euch Lebensenergie zurück, mit der Kettensäge bearbeitet ihr euer Gegenüber wie eine Fleischpiñata, um an die Munition zu gelangen, die sich sämtliche Gegner in großer Menge einverleibt haben. In Brand gesetzte Monster lassen lebensnotwendige Rüstung fallen und mit der Eisgranate kann sich der vorne schwer gepanzerte „Pinky“ bewegungsunfähig gemacht werden, um seine Schwachstelle von hinten effektiv bearbeiten zu können. Schwachstellen, genau! In Doom Eternal ist es wichtig, den Feind zu kennen und wie er am besten zu Kleinholz verarbeitet werden kann. So büßt der Mancubus massiv an Feuerkraft ein, entfernt ihr ihm mit gezielten Schüssen seine beiden Armkanonen. Besonders schwierig gestaltet es sich beim schlau agierenden Marauder. Dieser wird nur für den kurzen Moment seines Angriffs verwundbar. Die restliche Zeit wehrt er Projektile jeder Art mit seinem Schild ab. Steht ihr zu nah an ihm dran, pustet er euch mit seiner Schrotflinte über die halbe Karte, steht ihr zu weit weg, kommen seine sehr gezielten und genauso schmerzhaften Fernangriffe zum Einsatz. Kennt den Feind und werft ihm alles entgegen, was ihr habt. Beherrscht ihr den Umgang mit diesen Mechaniken entfaltet sich ein Spielfluss, der euch mitreißen und gänzlich verschlingen wird.

Das Schweizer Taschenmesser des Doom-Slayers: Die Crucible Blade

Doch was ist eigentlich mit der Story? Also, es gibt eine. Und die ist auch gar nicht so übel und bietet einen angenehmen Rahmen für die mehrstündige Gewaltorgie. Ihr könnt sogar kleine Schriften aufsammeln, die euch mit Hintergrundinformationen zu allem Möglichen versorgen. Das alles liest sich nett und erzeugt während des Spielens das Gefühl, ein konkretes Ziel zu verfolgen. Im Nachhinein ist bei uns jedoch nicht allzu viel davon hängengeblieben. Zu sehr waren wir damit beschäftigt, sämtliche Welten mit Dämoneninnereien zu verzieren. Der Doom-Slayer bleibt auch weiterhin ein eher stummer Zeitgenosse, der stattdessen lieber mit brachialen Handlungen überzeugt. Und was für welche. Während Rachegott Kratos mittlerweile zum weichgespülten Familienvater avanciert ist, würde unser Master Chief auf Anabolika für ein paar Rollen Klopapier mit einem Panzer geradewegs durch sämtliche Wohnhäuser zum nächsten Supermarkt brettern – einfach, weil es der schnellste Weg wäre.

Fazit:
Nein, Doom Eternal ist kein leichtes Spiel. Immer wieder lässt es euch Dämonensch**** fressen, ist dabei jedoch zu keinem Zeitpunkt unfair. Wenn ihr sterbt, war es euer eigener Fehler. Wenn ihr jedoch lernt, erlebt ihr das berauschende Gefühl einer virtuellen Raserei, die nahezu perfekt ist. Der grandiose Soundtrack mitsamt diabolischer Riffs und pumpender Beats klingt fett und treibt euch immer weiter in den Schlund der Hölle. Jeder, der auch nur annähernd mit dem Gedanken an einen solchen Höllentrip spielt, sollte sich ernsthaft überlegen, diesen Ritt auf der Bestie zu wagen. Die Jungs und Mädels von id Software zeigen dem aktuellen Shooter-Genre den Mittelfinger und lassen euch im Flammen-Tsunami surfen…wenn ihr euch traut.

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