Sekiro liegt schon einige Zeit zurück und beinahe schon hättet ihr euch wieder daran gewöhnt, beim virtuellen Ableben eures Charakters einfach den letzten Spielstand zu laden. Gerade rechtzeitig tritt das von Devespresso Games entwickelte Roguelike-Rollenspiel Vambrace: Cold Soul auf den Plan und bietet euch neben sackschwerem Gameplay eine überaus interessante Geschichte, die in wunderschöner Optik präsentiert wird. Das von dem Dürener Videospielverlag Headup Games herausgegebene Fanatasy-Abenteuer trifft euch mit spitzer Nadel in eurem Stolz, den Geheimnissen der verschneiten Totenstadt auf die Schliche zu kommen, ganz gleich wie eiskalt es euch manchmal erwischt. Wer ab diesem Punkt weiterliest, sollte sich der in Spielform gebrachten Todessehnsucht de facto nicht verschließen.
Ihr seid Evelia Lyric und findet euch wieder in der vom Dauerfrost heimgesuchten Zwergenstadt Icenaire. Bei dem besagten Witterungsverfall handelt es sich jedoch nicht nur um ein paar lästige Schneewehen, sondern um eine von dunkler Magie geschaffenen Eisbarriere, dem Frostfence, die ein Entrinnen aus der Stadt unmöglich macht. Wie es das Schicksal so will, seid ihr die Trägerin einer verzauberten Unterarmschiene (engl.: Vambrace), wodurch es euch allein gelingt, die Eisbarriere zu überwinden. Um die Hintergründe eures Daseins ist euch zu Beginn nur wenig bekannt, doch je weiter ihr fortschreitet, desto mehr entfaltet sich eine Geschichte, die zu ihren besten Zeiten mit dem Wörtchen „episch“ umschrieben werden kann. So gilt es im weiteren Verlauf, dem okkulten „Orden der Grünen Flamme“ das Licht auszupusten, ist dieser doch schließlich dafür verantwortlich, dass sämtliche Bewohner, die nicht von der Grünen Flamme aus ihren Gräbern beschworen worden, auf ewig hinter dem Eiswall gefangen sind. Während der Großteil der Spielwelt demnach von uns gegenüber feindlich gesinnten Geistern oder Anhängern jenes Ordens bevölkert ist, haben sich die Lebenden, darunter Zwerge, Menschen und Elfen, nach Dalearch zurückgezogen. Dabei handelt es sich um eine Stadt, unter der Oberfläche von Icenaire, in der ihr Aufträge annehmen, euch Ausrüstung craften, zahlreiche Dialoge führen und natürlich auch Mitstreiter für anstehende Schlachten rekrutieren könnt.
Euer Team besteht neben Lyric aus drei anderen Charakteren, wobei ihr die altbekannte Auswahl zwischen Nahkämpfer, Heiler, Bogenschütze bzw. Füsilier habt. Habt ihr euch erstmal durch die zumeist nicht vertonten Dialoge in Dalearch geklickt, geht es für den ersten Auftrag auch schon an die Oberfläche. Das Kampfsystem ist verglichen mit Darkest Dungeon relativ simpel gehalten. Neben der Möglichkeit, einen Angriff zu blocken oder gar aus der Schlacht zu fliehen, habt ihr die Wahl zwischen einer Standard- und einer Spezialattacke. Habt ihr keinen Heiler dabei, könnt ihr euch nur an festgelegten Punkten zur Rast setzen und dort eure mitgebrachten Verbände und Tränke auf die Charaktere verteilen. In jedem Gebiet bewegt ihr euch durch mehrere Abschnitte, wobei euch nicht in jedem Gegner auflauern müssen, sondern ihr euch stattdessen durchplündert oder eben Rastplätze aufsucht. Hin und wieder kommt es zu Ereignissen, bei denen ein Charakter eine bestimmte Situation nach eurer Vorgabe lösen kann. Ein Beispiel: Vor euch befindet sich ein reichlich gedeckter Tisch und es obliegt eurer Entscheidung, ob ihr zugreifen wollt oder das Misstrauen überwiegt. Für uns stellte sich das Festmahl als Illusion raus und statt des fleischsaftigen Schweinebratens hatten wir auf einmal die verrotteten Überreste in der Hand…und im Magen. Ein Malus auf unsere Vitalität war die Konsequenz.
Generell gibt es in Vambrace: Cold Soul mehr als genug Fallen, weswegen sich die Mitnahme eines Fallenentschärfers als lohnenswert herausstellen könnte. Fähigkeiten wie diese werden durch eines der fünf Attribute gesteigert. Diese wiederum werden von euch durch die Mitnahme gefundener oder selbst hergestellter Gegenstände in die Höhe getrieben. An Ausrüstung ist das aber auch schon alles, was ihr bei euch tragen könnt. Die Möglichkeiten der Charakterentwicklung sind demnach ähnlich begrenzt, wie die taktische Tiefe in den Kämpfen. Nichtsdestotrotz erhält dadurch jede einzelne Entscheidung umso mehr Gewicht. Vambrace ist kein leichtes Spiel und schon ein Fehltritt bedeutet möglicherweise das endgültige Aus für euer Team. Und als wäre dies nicht genug, gibt es das sogenannte Geistometer, welches sich mit jedem Abschnittsübertritt und auch im Falle einer Rast füllt. Überschreitet es einen gewissen Grenzwert, bedeutet dies, dass euch die Geister der Totenstadt aufgespürt haben und ihr es fortan mit einer größeren Anzahl an Kämpfen als zuvor zu tun bekommt.
Fazit: Eisbrecher mit etwas Anlaufzeit
Was dem Gameplay an Komplexität fehlt, versucht die Story mit interessanten Erzählelementen auszugleichen. Wenn ihr euch auf die zahlreichen Textboxen einlasst, könnte sich euer Besuch in Icenaire durchaus lohnen. Viel zu lesen gibt es auch durch das Ansammeln von Codex-Seiten, die euch mit zusätzlichen Hintergrundinfos über die Charaktere und die Spielwelt versorgen. So hat jede der überlebenden Fraktionen eigene Anführer mit eigenen Motivationen, die euch ein ums andere Mal um einen Gefallen bitten, die nicht immer der Aufrechterhaltung des Friedens innerhalb von Dalearch gewidmet sind. Das Kampfsystem als auch die Fortbewegung durch die Spielwelt mögen manch einem vielleicht etwas zäh erscheinen. Auch die hohe Anzahl an Fallen können einen je nach Gemütslage zur Weißglut treiben. Wer sich darüber hinaus ein tiefgängiges Charaktersystem wünscht, wird leider enttäuscht. Die permanenten Verluste geliebter Charaktere schmerzen zwar, wären aber noch viel reizvoller, würde man sich wirklich in eine Spielfigur, mit Ausnahme von Lyric, investieren können. Dafür kann man sich durchgehend an den hübsch gezeichneten Umgebungen und Charaktermodellen erfreuen. Hier wurde wirklich ganze Arbeit geleistet. Dennoch ist das Spiel sicher nicht für jeden was. So schnelllebig unsere Zeit ist und so actiongeladen viele zeitgenössische Titel sind, so sehr nimmt sich Vambrace genau hierbei raus und verlangt vom Spieler, sich wirklich in diese Welt einzufinden und nur langsam ihr frostiges Geheimnis zu lüften. Vambrace: Cold Soul erfüllt alle Kriterien eines guten Roguelike-Abenteuers und motiviert euch stets, das Beste aus eurem Team herauszuholen. Wer diese stärkere Fokussierung auf Story und Spielwelt begrüßt und dafür im Gegenzug ein paar kleinere Schwächen im Gameplay verzeihen kann, der greift beherzt zu.