17 Jahre nach den Ereignissen aus Far Cry 5 und ein paar Atombomben später landen wir erneut in Hope County. New Dawn setzt dabei erstmals an der Story des Vorgängers an, doch während im Spiel mehrere Jahre vergangen sind, vergingen in der echten Welt gerade einmal knappe 11 Monate. Genügend Zeit, um sich erneut in Ubisoft’s Open-World-Abenteuer zu stürzen?
Wir, ein Problemlöser, der von allen nur „Captain“ genannt wird, finden uns wieder in einer post-apokalyptischen Welt, welche vor allem durch ihre farbenfrohe Gestaltung und den signifikanten Gebrauch greller Pinktöne im Gedächtnis bleibt. Bevor wir uns an dieser Schönheit erfreuen können, geraten wir in einen Konflikt mit den marodierenden Highwaymen, die die Vorherrschaft über gesamt Hope County für sich beanspruchen. Schnell machen wir die Bekanntschaft mit den beiden Zwillingsschwestern Mickey und Lou, die die Brutalo-Bande anführen. Beide scheinen gleichermaßen an einer verminderten Affektkontrolle zu leiden und agieren frei nach dem Motto: „Erst schlagen, dann schießen, dann…ist auch egal.“ Nur mit unserem Leben schaffen wir es so gerade nach „Prosperity“, welches die Heimat der Widerstandsbewegung ist und auch uns fortan als Heimathafen dienen soll. Ab diesem Punkt erobern wir uns Stück für Stück das Land zurück, bauen unsere Basis aus und arbeiten uns vom rostigen Schießeisen hin zur sägeblättrigen Tötungsmaschine.
Eine Geschichte der Mikroinnovationen
Wie uns Mad Max gelehrt hat, sind Kugeln und Benzin das Wichtigste, um in einer postapokalyptischen Welt mal so richtig die Mutanten-Kuh fliegen zu lassen. Während man erstere an allen Ecken und Enden bekommt, erlangen wir das für unsere Festung unabdingbare Ethanol, indem wir die bekannten Außenposten einnehmen oder Tanklaster überfallen. Für ein wenig Abwechslung sorgen die neuen Expeditionen, bei denen ihr per Hubschrauber in eins der sieben abgeschlossenen Gebiete eingeflogen werdet, um euch auf die Suche nach ressourcenhaltigen Paketen zu machen. Der Haken: Jedes Paket ist mit einem GPS-Sender versehen, weshalb ihr euch schnell einer kaum zu überwindenden Front aus Highwaymen gegenübergestellt seht, vor der es zu fliehen gilt. Von den erbeuteten Materialien, die es auch sonst überall verstreut im County zu finden gibt, könnt ihr euch an der Werkbank neue Waffen zusammenschrauben. Je öfter man einen Außenposten aus den Händen der Highwaymen reißt oder an einer Expedition teilnimmt, desto schwieriger wird es beim nächsten Mal.
Ebenfalls neu ist der gestiegene Rollenspieleinfluss in New Dawn. Dank sogenannter Vorteilspunkte könnt ihr nach und nach immer mehr Skills für euren Charakter freischalten, durch die er beispielsweise einen Kletterhaken zum erklimmen steiler Felswände bekommt oder aber mit einem Schweißbrenner jeden Panzerknacker alt aussehen lässt.
Fazit: Wem die Zutaten schmecken, dem schmeckt auch das Gericht.
All das erzeugt das motivierende Gefühl des persönlichen Fortschritts. Die übliche Ubisoft-Formel ist im Jahr 2019 zwar so innovativ wie ein Dieselmotor, jedoch tut sie zuverlässig ihren Dienst. Die Geschichte um die beiden Zwillingsschwestern ist solide erzählt, bietet kleinere Höhepunkte und kaum Tiefen. Dies dürfte wohl auch an der Straffung der Story-Missionen liegen, die mit einer Zahl von knapp über 20 durchaus kurzweilig ausfallen. Wer gerne mehr Zeit in der Welt verbringen möchte, hat mit allerlei Nebenmissionen genug zu tun, ohne dabei gleich sein gesamtes Privatleben aufgeben zu müssen, wie es bei Assassin’s Creed Odyssey der Fall war. Wer einfach nur nach Feierabend ein bisschen Ballerspaß haben und im Idealfall mit einem Koop-Kumpel den Highwaymen zeigen will, wie so ein Dreifach-Sägeblattwerfer funktioniert, macht mit New Dawn nichts falsch. Natürlich kann man sich darüber beschweren, dass die Rollenspielaspekte zu seicht sind, die Bösewichte schon wieder nicht den Wahnsinn von Vaas verkörpern und das aufgewärmte Setting um Hope County zu einfallslos wirkt. Aber am Ende des Tages gibt es genügend Spieler, die sich über Konstanten à la Assassin’s Creed oder eben auch Far Cry freuen, gerade weil von ihnen wenig Neues verlangt wird und es sich möglicherweise sogar ein bisschen wie nach Hause kommen anfühlt.