Es ist März.
Ich sitze zu Hause auf dem Sofa und hinterfrage mein Leben. Nicht, dass in meinem Leben momentan eh schon alles auf dem Kopf steht, nein, es wurde auch noch eine weltweite Pandemie ausgerufen, die es mir unmöglich macht, mich unter Leuten in irgendeiner Kaschemme abzulenken. Meine Lage scheint aussichtslos, da klingelt mein Telefon. „Tom Nook hier.“ Okay, woher hat dieser Typ meine Nummer? Und was ist das eigentlich für ein bescheuerter Name?
Ist mir aber dann auch egal, denn er bietet mir ein neues Leben auf einer einsamen Insel an. Inklusive Full-Service Paket. „Unseren Gästen fehlt es an nichts“ – Ich zögere nicht lange und nehme an.
Coronululu, ich komme!
Ich fühle mich unbesiegbar! Eine eigene kleine Insel. Nur für mich. Doch ich hätte besser das Kleingedruckte gelesen.
Natürlich bin ich nicht die einzige, die dieses Angebot nicht ablehnen konnte. Auch Rudi, ein grüner aufrechtgehender Esel und Dörte, ein großgewachsener, lilafarbener Frosch landen mit mir auf meinem kleinen Fleckchen Paradies. Dass ich es scheinbar nur mit humanoiden Tierwesen zu tun habe, scheint mich nicht zu stören. Aber Dörte? DÖRTE? Womit habe ich das verdient? Und auch Tom Nook und seine zwei Gefährten Nep und Schlepp scheinen die Insel so schnell nicht verlassen zu wollen.
Also aus der Traum, meinen Lebensabend als Einsiedlerkrebs irgendwo im nirgendwo ausklingen zu lassen. Dann denke ich an Tom Hanks in „Cast away“ und bin irgendwie dankbar dafür.
Allerdings hätte ich mir mein Abenteuer etwas luxuriöser vorgestellt. Es fing alles so gut an, Tom Nook hat mich sogar mit einem neuen Handy ausgestattet. Ich male mir mein neues Leben aus – ein Leben, wie aus einer Raffaello-Werbung. Ich träume von einer Holzhütte am Strand mit angrenzendem Infinity-Pool und bekomme… ein Zelt. Ein lausiges Ein-Frau-Zelt mit einer Lampe und einem Feldbett drin.
Nach dieser ersten Enttäuschung folgt die nächste Klatsche. Tom Nook – Immobilienmogul, wie er im Buche steht – zitiert mich in sein Service-Zelt und erklärt mir, dass ich zwar durchaus ein luxuriöses Leben auf Coronolulu führen könne, dafür allerdings einen Kredit abstottern müsse. Dieser wird in sogenannten „Sternis“ bezahlt, die ich durch den Verkauf von gesammelten oder eigens hergestellten Waren erhalten kann. Aus dem Nichts kommt also eine Rechnung über 50.000 Sternis für den Flug, das Zelt, meine Seele. Mir ist nach dieser Nachricht eher nach Sternanis in destillierter, alkoholischer Form zu mute. Aber was soll‘s. Jetzt bin ich schon mal hier, wieso also nicht Insekten fangen, Holz hacken oder Angeln? Im schlimmsten Fall macht es sogar noch Spaß.
Und meine Arbeit soll nicht unbelohnt bleiben. „Eine Pfote wäscht die andere“ lautet hier die Devise. Ein Flughafen wird errichtet von dem aus ich meine Freunde und neue, unbekannte Inseln bereisen kann. Durch meine Mithilfe erhält unsere kleine Insel einen Laden, der täglich neu bestückt wird – für ausreichend Nudeln und Klopapier ist also gesorgt! Außerdem kann ich durch das Sammeln verschiedener Tiere und Fossilien beim Aufbau eines Museums helfen. Ich fühle mich nützlich. Auch wenn der angehende Museumsleiter Eugen, dessen Name besser Eulen gewesen wäre, mich durchgehend siezt und panische Angst vor Insekten zu haben scheint. Sorry, aber wer hat bitte Angst vor Schmetterlingen?
I’m leaving on a Jetplane
„Ich checke nur mal kurz, ob eine Insel für Besucher offen steht…“ Meine Nervosität steigt. Endlich wieder vertraute Gesichter sehen. Eine kurze Pause von der ständigen, körperlichen Arbeit. Wird mich jemand empfangen? „Die Insel Nublar wäre frei. Wollen Sie dort hinfliegen?“
Mittelamerika? DINOSAURIER? Klingt gut für mich. Also los geht’s – und ich warte – und warte – und es dauert – und dann beginnt endlich der Landeanflug. Meine sich ebenso in Selbstisolation befindende Freundin empfängt mich wild winkend am Flughafen. Und zu aller Überraschung sind noch weitere bekannte Gesichter auf der Insel anzutreffen. Es fühlt sich an wie auf der Gamescom, nur ohne Messetrubel und mit weniger Alkohol aber hey, endlich wieder alle beisammen.
Wir tollen gemeinsam rum, gehen im örtlichen Laden shoppen, machen verrückte Bilder im Museum und verabreden uns schon fürs nächste Mal Inselhopping auf meiner Insel.
Ich setze mich also zurück in den Flieger Richtung Heimatinsel. Pilot ist ein Dodo, dessen Name so schön klingt, wie seine Sprüche gut sind: Udo. Und nach einer halben Ewigkeit komme ich dann endlich wieder zu Hause an.
Stein auf Stein, oh wie fein
50.000 Sternis abzustottern war gar nicht so schwer. Ein bisschen Unkraut hier, ein paar Fische da und schwupp bin ich Schuldenfrei.
Dachte ich zumindest, denn da kommt Tom Nook mit dem nächsten Angebot um die Ecke. Ein eigenes Haus, komfortabel, Regenundurchlässig…. nur stolze 98.000 Sternis. Ich fühle mich wie ein Esel, dem eine Karotte vor die Nase gebunden wird. Ein Eigenheim. Ich mein, ich werde hier schließlich den Rest meines Lebens verbringen. Scheiß aufs Zelt und take my money.
Ich willige ein und über Nacht wird mein Traum vom Landhaus endlich Wirklichkeit. Es ist klein aber fein und ich habe endlich Platz, meine Utensilien einzulagern. Wer einen Hang zur Inneneinrichtung hat, für den wird auf Tom Nooks Insel ein Traum wahr. Bunte Tapeten, außergewöhnliche Böden, ausgefallene Möbelstücke … etliche Items, die das Innen- und Außenausstatterherz höherschlagen lassen. Ich brauche es. ALLES. Ob, als immer aufwendiger werdende Bauanleitung oder fertig gekauft, meine Sammlung wird immer größer und größer. Es ist wie eine Sucht. Ich kann nicht aufhören Dinge zu kaufen. Täglich wechselnde, exklusive Angebote im Laden, die nach 24h NIE wieder erhältlich sind. Da muss ich doch zuschlagen!
Besonders schöne Stücke bieten sich auch hervorragend als Geschenk für die übrigen Inselbewohner an – auch von anderen Inseln. Der Postservice am Flughafen macht’s möglich.
So langsam wird es auf Coronolulu richtig wohnlich und ich fühle mich bereit, meinen Flugsteig und somit meine Insel für andere zu öffnen. Kommet all in Scharen! Ich hab Äpfel da!
Eile mit Meile
Beim Inselhopping kann man sich entweder dazu entscheiden seine Freunde zu besuchen oder auf unbekannte Inseln zu reisen. Für letzteres gibt es sogenannte Meilentickets, die man für Schlappe 2.000 „Nook Meilen“ erstehen kann (Wieso ist hier alles auf Ihn gebrandet? Ich mache doch die ganze Arbeit oder hat irgendwer mal DÖRTE Holzhacken sehen?). Zum Glück kann ich nicht mit Währungen umgehen und kaufe gleich 5 Stück. Ich will hier schließlich was erleben. Wer weiß, was andere Inseln für süße Früchtchen zu bieten haben? Welche Flora und Fauna mich dort erwarten wird? Das Museum bestückt sich schließlich auch nicht von alleine und die Ressourcen auf meiner Insel sind endlich. „Flug Schokokuchen ist sicher auf der Zielinsel gelandet, spektakulär“, versichert Udo mir.
Also ab – andere Inseln abfarmen um Coronolulu great (again) zu machen… Ich bin quasi der Christoph Columbus der Neuzeit. Nur, dass ich selbst versklavt wurde. Tom Nook, du durchtriebenes, im Hawaii-Hemd getarntes Genie
Der Druck steigt
Durch meine zahlreichen Inseleinsätze gewinnt Coronolulu immer mehr an Popularität.
Tom Nook kann sich vor Interessenten kaum retten und bittet mich, ihm beim Bau der neu entstehenden Wohneinheiten behilflich zu sein. Unentgeltlich versteht sich natürlich. „Das ist ein Wink des Schicksals. Mit dem Zaunpfahl der Insolvenz“. Ist das jetzt sein Ernst? Nach all den Sternis, die er bereits von mir eingesackt hat? Was macht er eigentlich mit dem ganzen Geld?
Da ich die ganzen Leute jedoch hergelockt habe bekomme ich Gewissensbisse und helfe. Meine Insel entwickelt sich von Haus zu Haus weiter. Bekommt sogar ein eigenes Gemeindezentrum. Mein Stadtplanerherz geht auf. Doch ich verschulde mich immer mehr. Stehe selbst der Privatinsolvenz nahe. Corona-Flashbacks holen mich wieder ein. Ich kann nachts nicht mehr schlafen… Wie zur Hölle soll ich diesen immer höher werdenden Betrag an Sternis abbezahlen? Bespitzeln Nep und Schlepp mich heimlich? Stecken Sie mit Tom, den sie ehrfürchtig „unseren großen Häuptling“ nennen unter einer Decke, oder sind sie ebenso Sklaven des von Tom vorangetriebenen Kapitalismus?
Mein Nook-Phone klingelt. „Tom Nook am Apparat“. Ich schlucke. Mal sehen, was er als nächstes für mich bereithält…
Fortsetzung folgt.